Brauchen wir ein neues Schulgesetz?

(veröffentlicht im Elbkurier, Heft 2-Juli 2012)

Eigentlich nicht, heißt meine vorweggenommene Zusammenfassung der aufgeworfenen Frage. Das Ergebnis der Wahlen zum Landtag dieser Wahlperiode lies für die CDU nur zwei Alternativen zu: Eine Koalition mit der SPD oder die Opposition. Die Verhandlungsführer der CDU meinten, die Gefahr, dass die SPD eine Koalition mit DER LINKEN bilden könnte sei so groß, dass man dieser beträchtliche Zugeständnisse machen müsse. So ist ihre Darstellung der Entstehungsgeschichte der Koalitionsvereinbarung dieser Wahlperiode. Ich selber bin der Auffassung, dass mit dem für die SPD schlechten Wahlergebnis die oben dargestellte Gefahr mit dem Wahlsonntag gebannt war.

   Der geltende Koalitionsvertrag  sieht die Einführung der sogenannten Gemeinschaftschule vor: „Sie (d.h. die Koalitionspartner J.S.) sind sich darin einig, die Gemeinschaftsschule auf freiwilliger Basis durch gesetzliche Festschreibung als gleichberechtigte Schulform und vollwertiges Angebot in der Schullandschaft Sachsen-Anhalts zu ermöglichen. Die Entscheidung für die Gemeinschaftsschule muss vor Ort getroffen werden. Schulträger und Gesamtkonferenz müssen jeweils zustimmen. Bestehende Regelungen zum Elternwunsch bleiben erhalten. Gemeinschaftsschulen entstehen durch Umwandlung bereits bestehender Schulen und führen grundsätzlich die Klassenstufen 5 bis 12, unter Berücksichtigung der Kultusministerkonferenz-Vorgaben (KMK) zur Erlangung des Abiturs. Dort kann

grundsätzlich jeder allgemein bildende Abschluss erworben werden. Auf eine äußere Fachleistungsdifferenzierung wird bei Einhaltung der Voraussetzungen für eine bundesweite Anerkennung der Abschlüsse weitgehend verzichtet.“

  Die Landesregierung hat auf der Junisitzung des Landtages eine Novelle des Schulgesetzes eingebracht. Ziel ist es, das Gesetz im Herbst zu verabschieden und die neue Schulform mit Beginn des Schuljahres 2013/14 einzuführen.

  Es ist verwunderlich, eine neue Schulform ohne vorgeschaltete Schulversuche einzuführen. Bisher konnte auch nicht stichhaltig erläutert werden, was diese Schulform grundlegend von der existierenden Schulform der Gesamtschule unterscheidet. Diese Schule wird bei zurückgehenden Schülerzahlen die Schullandschaft weiter zersplittern und Schulplanungen schwieriger machen. Es sei denn, die Gemeinschaftsschule soll schrittweise zur vorherrschenden Schulform in Sachsen-Anhalt werden. Das Kultusministerium will für diese Absicht organisatorische Vorsorge treffen, denn die Gemeinschaftsschule kann den Status einer „ersetzenden Schule“ bekommen. Das heißt, sie wird (hauptsächlich) Sekundarschulen vollständig ersetzen. Die mitgelieferte Beruhigung soll die Einführung „auf freiwilliger Basis“ sein. Ein nicht von der CDU geführtes Kultusministerium wird hier zahlreiche untergesetzliche Steuerungsmöglichkeiten entwickeln.  Ein in Vorgesprächen zwischen CDU und SPD erzieltes Verhandlungsergebnis, entsprechende Verordnungen nur mit Zustimmung des für das Schulwesen zuständigen Landtagsausschuss zu erlassen mutierte im Gesetzentwurf zur „Herstellung des Benehmens“, d.h. die Landtagsabgeordneten können einmal darüber sprechen, entscheiden wird aber der Kultusminister allein.

  Eine weitere Überraschung enthält der Gesetzentwurf für die anerkannten freien Träger von Schulen. Die bisherige Möglichkeit der, wenn auch abgesenkten,  vorzeitigen Finanzhilfe soll ersatzlos gestrichen werden. Es wird also für die ersten drei Jahre nach der Eröffnung der Schule keinerlei finanzielle Unterstützung seitens des Landes geben. Ferner werden gewisse Berechnungsgrundlagen verschlechtert und einige Genehmigungen komplizierter.  Man will es diesen Schulen finanziell und rechtlich schwerer machen. In der Koalitionsvereinbarung heißt es dazu immer noch: „Die Koalition betrachtet die Schulen in freier Trägerschaft als eine wichtige Ergänzung des öffentlichen Schulsystems. Die Koalitionspartner sichern den Schulen in freier Trägerschaft verlässliche Rahmenbedingungen und Finanzierung zu.“ Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass man es Eltern schwerer machen will, freie Schulen zu gründen und insbesondere  auf die Gründung von Gemeinschaftsschulen mit der Gründung von freien Schulen zu reagieren. CDU-Politik kann das nicht sein.

  Der Landtag und insbesondere die CDU werden in diesem Jahr noch viel zu verhandeln haben, bis ein verantwortbares Schulgesetz verabschiedet werden kann. Aber, wie eingangs festgestellt, eigentlich brauchen wir bis auf ein paar Anpassungen kein neues Schulgesetz.

Jürgen Scharf, MdL