Was ist Leitkultur?

 

Gibt es eine „Leitkultur in Deutschland“ oder eine „deutsche Leitkultur“? Haben wir sie oder haben wir sie nötig? Was ist „deutsch“ in Deutschland, was ist Kultur? Ist Unkultur auch Kultur? Wie viel und welche fremden Kulturen verträgt die Leitkultur in Deutschland?

 

Die Union besetzt mit dem Begriff Leitkultur die Suche nach der eigenen Identität in Deutschland positiv. Sie erinnert an die Aufgabe sich der Wurzeln aller Kultur in Deutschland bewusst zu werden, das Gute zu pflegen und zu entwickeln und das Schlechte zu überwinden. Zu unseren Wurzeln gehören zweifellos die Traditionen des christlich geprägten Abendlandes, jüdische Religion und Kultur, aber auch griechische Philosophie, römisches Recht, Reformation, auch Gegenreformation, Humanismus und Aufklärung und natürlich die deutsche Sprache. So erfahren wir die Deutschland prägende Leitkultur als ihre Entfaltung im europäischen Wertekanon.

 

Was ist Kultur? Der Brockhaus 2000 definiert Kultur als „Gesamtheit der typischen Lebensformen größerer Gruppen einschließlich ihrer geistigen Aktivitäten, besonders der Werteinstellungen. Kultur gilt im weitesten Sinn als Inbegriff für all das, was der Mensch geschaffen hat, im Unterschied zum Natur gegebenen.“ Auch wer immer schon in Deutschland gelebt hat, oder schon sehr lange in Deutschland lebt, muss immer wieder für sich selber suchen, was seine Kultur ist. Das Wertvolle und Unverzichtbare ist Leitkultur, weil es für alle gilt, die hier mit uns zusammen leben wollen. Dazu gehören unter anderem die deutsche Sprache, die Anerkennung der Menschenrechte, wie wir sie im Grundgesetz im Ewigkeitskatalog verankert haben. Wer rechtsfreie Räume für Parallelgesellschaften schaffen will, in der die deutsche Sprache und das deutsche Recht nicht gelten, in der zum Beispiel die Frauen nicht gleichberechtigt geachtet werden, muss in die Schranken gewiesen werden.

 

Es haben nicht alle Menschen in Deutschland die gleichen Rechte. Aus gutem Grund lautet z. B. Artikel 8 unseres Grundgesetzes: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Wir müssen um unseres inneren Friedens willen sehr genau aufpassen, welche Konflikte in anderen Ländern wir nicht ersatzweise in Deutschland austragen lassen wollen.

 

Freilich ist es richtig, uns der Bereicherung durch andere Kulturen bewusst sein, auch der damit unvermeidlich einhergehenden eigenen Wandlung. Was fest zu halten ist und was nicht, muss immer wieder erstritten werden Dieses ist nicht ungewöhnlich. Nur wem die eigene Kultur egal ist, streitet nicht mit sich und mit anderen über sie.

 

Dieser Streit findet freilich seine Begrenzung im Toleranzgebot, selber ein Stück unserer Kultur, wie es uns wohl nicht schöner gegeben worden ist, als in Lessings „Ringparabel“.

 

Jürgen Scharf

Vorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU in Sachsen-Anhalt