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Personalquerelen
Wie die CDU ihren
Fraktionschef nach einem Kneipentreff abservierte
Von Jens Schmidt
und Michael Bock
Die
CDU-Landtagsfraktion wird von Personalquerelen erschüttert. Manch einer spricht
sogar von einem Putsch.
Magdeburg. Am Dienstag kommt die Fraktionsspitze
zusammen. Wichtige Personalfragen stehen an. Der Plan: Reiner Haseloff übernimmt
den Fraktionsvorsitz.
Scharf gilt als
anständiger, penibler Politiker. Kommunikative Feinarbeit aber war seine Sache
nicht; weswegen etliche Abgeordnete – auch vom Koalitionspartner SPD – schon
lange murrten. Regierungschef Wolfgang Böhmer wollte Scharf schon 2006 mit dem
Präsidentenamt vom Fraktionsvorsitz weglocken – doch Scharf ließ sich nicht nach
oben schieben. Nun, fünf Jahre später, ist er bereit. Als Präsident würde er die
Landtagssitzungen leiten, das Parlament repräsentieren und zu denkwürdigen
Anlässen Reden halten.
Scharfs Aufstieg bedeutet
aber den Abstieg eines anderen CDU-Manns: Dieter Steinecke. Der ist seit 2006
Präsident und fühlt sich auch mit 67 noch pudelwohl im Amt. Schon vor Jahren hat
er angekündigt, auch nach 2011 gerne weitermachen zu wollen. Doch daraus wird
nun nichts.
Wer überbringt
Steinecke die schlechte Nachricht?
Detlef Gürth, der Parlamentarische Geschäftsführer, wird gebeten.
Gürth erklärt Steinecke in einem langen Gespräch die
Lage. Steinecke gibt klein bei. Durchatmen. Alles scheint im
Lot.
Bis zum
Abend.
Da treffen sich gut 20 CDU-Abgeordnete am Magdeburger
Hasselbachplatz im Restaurant "Il Capo". Auf ein Bier, um auf den Wahlsieg
anzustoßen, wie es heißt. Doch die gute Laune weicht schnell einer aufgeregten
Personaldebatte. Es geht um Scharf. Frust entlädt sich. Scharf als Präsident?
Niemals. An der Spitze der Gegenattacke reiten Frank Bommersbach und Daniel Sturm.
Bommersbach ist ein Abgeordneter
aus dem Saalekreis, da wo auch der einstige
CDU-Abgeordnete Thomas Madl herkam. Bommersbach und
Madl sind – sagen wir es so – keine Freunde. Als Madl 2009 im Zuge der
Doppeljob-Affäre ins Wanken geriet (er beschäftigte seine Bekannte zugleich in
zwei steuergeldfinanzierten Vollzeitjobs), sah Bommersbach seinen Gegner endlich fallen. Doch Scharf
stützte Madl zunächst, lobte ihn gar als Leistungsträger der Fraktion. Erst auf
Druck der Fraktion musste Madl gehen. Das blieb unvergessen. Auch an jenem
Kneipenabend am Dienstag.
"Ein Landtagspräsident muss skandalfrei sein",
poltert es über den Biertisch. Die Scharf-Ablehner
setzen sich durch. Probeabstimmung: Mehr als 15 lehnen ihn ab. Nur fünf stützen
ihn. Darunter auch Vize-Fraktionschef Holger Stahlknecht.
An Stahlknecht
scheiden sich die Geister. Für die einen ist er ein schneidiger Macher. Andere
misstrauen ihm ewiglich. Denn Stahlknecht wollte Scharf 2006 als Fraktionschef
stürzen. Nachdem das misslungen war, schlossen beide einen Burgfrieden – doch
der Pulverdampfgeruch wollte nie ganz verfliegen. Die, die bei der Siegesfeier
nicht dabei waren, sprechen von einem Geheimtreffen. Und davon, dass Stahlknecht
wohl die Zügel aus der Hand geglitten waren. Die, die dabei waren, sagen, das
Treffen sei ganz locker und offen schon vor der Wahl verabredet
gewesen.
Stahlknecht, der Aussichten hat, neuer Innenminister zu werden,
will nicht als böser Intrigant dastehen. Er sagt der Volksstimme gestern: "Ich
habe bis zum letzten Atemzug für
Der feine Mensch
Scharf sitzt gestern Nachmittag in seinem Büro. Er wird kein Präsident und auch
kein Fraktionschef mehr. "Ich bin der mit Abstand dienstälteste
Fraktionsvorsitzende im Landtag", sagt er mit leicht brüchiger Stimme. "Ich habe
das Recht, mich einmal neu sortieren zu dürfen. Die neue Führung muss sich jetzt
beweisen."
Ist er von Leuten persönlich enttäuscht? "Das ist für mich
keine politische Kategorie."
Trotzdem kann Scharf
seine Verbitterung nicht ganz verbergen. Von dem Kneipenabend wusste er nichts.
Er sagt: "Es gibt Leute, die treffen sich lieber im Freundeskreis. Das ist nicht
mein Stil."
An jenem denkwürdigen Abend am Hasselbachplatz wird noch mehr
Personalpolitik gemacht. Statt Scharf soll nun Gürth
Präsident werden. Den frei werdenden Geschäftsführerstuhl soll Siegfried Borgwardt besetzen.
Da alle Pläne
umgeworfen sind, werden Webel und Haseloff aus dem
Restaurant heraus informiert. Um Mitternacht geben beide grünes Licht. Eine
Viertelstunde später aber sagt Gürth, der an dem Abend
mit dabei ist: Nein. Er, der Steinecke die schlechte Nachricht überbrachte, soll
nun selber auf den Präsidentenstuhl? Das sähe mies aus.
Am frühen
Mittwochmorgen gibt es wieder Krisentelefonate. Schließlich wird Steinecke die
verzwickte Lage erklärt. Der zeigt sich verständnisvoll. Nun willigt Gürth ein. Auf der Fraktionssitzung am Nachmittag werden
alle Posten so gewählt wie vorher ausgekungelt. Steinecke sagt: "Detlef, du
warst mein Freund. Du bleibst mein Freund."
Gürth zeigt Nerven, er
bricht in Tränen aus.
Wird Haseloff im April neuer Ministerpräsident,
gibt es schon wieder eine Personaldebatte in der Union. Dann wird ein neuer
Fraktionschef gebraucht. Gute Aussichten hat Verkehrs-Staatssekretär André
Schröder.
Aber wer weiß schon,
welcher Freundeskreis sich dieses Mal vorher trifft. Meinung
Kommentar: Jämmerlich
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Dokument erstellt am 25.03.2011 um
05:31:40 Uhr
Erscheinungsdatum 25.03.2011 | Ausgabe: sachsenanhalt