Nur wer weiß, was er will, wird gewählt

Anmerkungen zur Programmdiskussion

Eine Volkspartei wie die CDU muss den Anspruch haben, eine Programmpartei zu sein, eine Partei, die Vorstellungen hat, wie unsere Gesellschaft gestaltet werden soll. Bürgerinitiativen und „Einpunktparteien“ können und wollen oft diesen Anspruch gar nicht erheben. Die CDU muss deshalb die Latte programmatisch in anspruchsvoller Höhe auflegen, sie darf aber auch nicht der Gefahr unterliegen, die Latte so hoch zu legen, dass alle meinen so ein Programm „störe“ dann auch nicht in der Tagespolitik, weil man bequem darunter hindurch schlüpfen könne.

Deshalb ist Programmarbeit unverzichtbare Selbstverständigung über den zu gehenden Weg nach innen für die Mitglieder und Qualitätsnachweis für ihre intellektuelle Gestaltungskraft nach außen für alle Politikinteressierten. Ich bedaure deshalb sehr, dass der CDU-Landesvorstand beschlossen hat, das Programm schon auf einem Landesparteitag am 9. Oktober 2013 zu beschließen. Dieses heißt in der Konsequenz, dass alle Änderungsanträge schon am 17. September beim Landesvorstand eingegangen sein müssen. Praktisch ist die öffentliche CDU-Programmdiskussion mit dem Erscheinen dieser Ausgabe des Elbkuriers schon beendet worden.

Es besteht zum weiteren die Gefahr, dass die CDU im Herbst ein Programm beschließt, dass die CDU-Landtagsfraktion mit einem Beschluss zum Haushaltsplan 2014 gegen Jahresende konterkarieren könnte.  Zu Recht hat deshalb unser CDU-Mitglied Dr. Gerhard Winter gleich zu Beginn der Diskussion auf der Regionalkonferenz am 7.Mai in Magdeburg den Erhalt der medizinischen Fakultäten sowohl in Magdeburg als auch in Halle eingefordert. Alles andere wäre eine dramatische Abwendung von 20 Jahren CDU-Wissenschaftspolitik in diesem Land.

Einige weitere inhaltliche Anmerkungen zum Stand der Diskussion seien angefügt: Der demografische Wandel  (eine euphemistische Formulierung) wird dazu führen, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass wir deutlich mehr Mitbürger unter uns haben werden, die aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen werden. Damit ihre Integration gelingt, brauchen wir eine ehrliche und offene Willkommenheitskultur.  Aber Integration bedeutet auch Einforderung bestimmter Verhaltensweisen der Zuwanderer. Nach einer bestimmten Zeit müssen sich die Menschen entscheiden, zu welchem Staatsvolk sie auf Dauer gehören wollen. Deshalb ist nach meiner Auffassung ein Angebot für eine doppelte Staatsbürgerschaft als Regelangebot der falsche Weg zu gelingender Integration. Die doppelte Staatsbürgerschaft muss weiterhin auf wohlbegründete Ausnahmen beschränkt bleiben. Die Redakteure des Programms hatten offensichtlich eine Scheu, mit Deutlichkeit zu fordern, dass alle Einwohner in Deutschland die Grundlagen unserer Verfassung uneingeschränkt zur Grundlage auch ihres Handels erheben müssen. Warum ist die Forderung weggefallen: „ Von allen Anhängern muslimischer Religionsgemeinschaften erwarten wir die Einhaltung des Grundgesetzes und unserer Rechtsordnung und insbesondere eine klare Absage an jegliche Versuche, nach der Scharia in Deutschland Recht auszuüben.“ ? Der Innenminister signalisierte auf der Regionalkonferenz, dass man über diesen Satz noch einmal sprechen könne. An seinen Plänen zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft wolle er jedoch festhalten.

Die CDU bekennt sich im Programmentwurf zum gegliederten Schulwesen. Dieses Bekenntnis wird jedoch gegenwärtig nicht umgesetzt, ja man erkennt noch nicht einmal ein diesbezüglich ernstes Bemühen. Mit dem vierzehnten Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt hat sie mit der gleichberechtigten Einführung der sogenannten Gemeinschaftsschule den verhängnisvollen Weg zur Einheitsschule eingeschlagen. Die für die CDU in den letzten Jahren verlorenen Wahlen in verschiedenen Bundesländern zeigen ganz klar, dass falsche Kompromisse in der Schulpolitik vom Wähler nicht hingenommen werden.

Im Programmentwurf „steht die CDU zu den abgeschlossenen Staatskirchenverträgen und zum Staatsvertrag mit der jüdischen Gemeinschaft“. (Zitat grammatikalisch leicht abgeändert J. S.) Auf diesem Hintergrund ist es vollkommen unverständlich, dass das Kabinett unter Führung der CDU Anfang Mai einen Prüfauftrag erteilte, indem die Ressorts gebeten wurden, „ihre finanziellen Leistungen an die Kirchen oder andere Religionsgemeinschaften sowie ihnen nahestehende Organisationen zusammenzustellen und in Hinsicht auf die Fortführungsnotwendigkeit zu bewerten.“ Die CDU-Landtagfraktion beschloss daraufhin am  7. Mai 3013: „Die staatlichen Leistungen für die Kirchen im Land haben Bestand. Darüber hinaus gehende Vereinbarungen sind nur einvernehmlich mit den Kirchen zu treffen und dürfen nicht in geschützte Rechtsgüter eingreifen.“

CDU-Programmdiskussion ist notwendige und spannende Selbstvergewisserung und Aufgabe. Sie ist auch ganz eng mit der Glaubwürdigkeit ihrer Tagespolitik verknüpft.

Jürgen Scharf, MdL