Da ist doch Einiges an Gewohntem in den letzten Wochen in Frage gestellt worden. Eigentlich haben wir es immer gewusst, dass das Leben nicht einfach so weiterlaufen wird. Dass ein „kleiner Virus“ aber unser aller Leben so in Frage stellen wird, haben wohl die Wenigsten erwartet. Nun ist es aber so, wie es ist und wir sollen und müssen uns den Herausforderungen stellen.
Was heißt das, dass wir uns wegen des Corona-Virus in einer Krise befinden? Bezeichnender oder doch vielleicht zufälliger Weise vermutet man den Entstehungsort dieses Virus in China. Das chinesische Schriftzeichen für Krise besteht aus zwei Teilen: der eine Teil symbolisiert Gefahr oder Risiko, der andere Chance. D.h. eine Krise ist eine gefährliche Chance. Wenn wir die Chancen von Krisen erkennen und nutzen, dann können wir uns weiterentwickeln und wachsen (1).
Bis jetzt hat uns die Krise schon Einiges gelehrt:
Sie kam für die meisten recht unverhofft. Ihr Ausmaß wurde anfangs unterschätzt.
Als sich die virologische Bedeutung dieser Infektionswelle deutlicher abzeichnete, waren die staatlichen Institutionen in Deutschland in Lage zu handeln, wie wir es bisher in Friedenszeiten noch nicht erlebt haben.
Die meisten Bürgerinnen und Bürger sind einsichtig und halten sich an die erlassenen Vorschriften.
Das Regierungshandeln erreicht bisher nicht gekannte Zustimmungswerte.
Wir befinden uns aber, seuchenhygienisch gesehen, noch am Anfang einer Entwicklung. Es ist unklar, wie unsere Gesellschaft auf langanhaltende, einschränkende Maßnahmen reagieren wird.
Es ist noch unklar, wie langfristig die wirtschaftspolitischen Folgen dieser Krise zu bewerten und zu bewältigen sind.
Für mich zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass ein starker Staat in dieser Krise mit Erfolg handeln kann.
Beispiele für staatliches Handeln aus der Vergangenheit sind nur bedingt heranziehbar. Jede Krise hat doch offensichtlich ihre eigenen Spezifika. Die letzte große Krise, die uns allen noch gut erinnerlich ist, ist die Finanzmarktkrise 2008. Starkes, unmissverständliches Handeln auf nationaler Ebene in Deutschland aber vor allem auf EU-Ebene haben uns erstaunlich gut durch diese existenzielle Krise steuern lassen. Es sind allerdings Hausaufgaben auf dieser Ebene und auf der Ebene internationaler Finanzmarktbeziehungen noch immer unerledigt. Die Krise beinhaltet nicht nur die Chance, auf nationaler Ebene gesellschaftspolitische Gewichte hin zu mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt neu zu ordnen, nein sie beinhaltet auch für internationale Finanzmarktspekulanten die „Chance“, mit dem Elend non Vielen ungeahnte Vorteile Weniger zu erzielen. So ist es für mich ein Skandal, dass es bisher nicht gelungen ist, internationale Finanztransaktionen zu besteuern (Finanztransaktionssteuer). Die ursprüngliche steuerrechtliche Begründung für die Steuerfreiheit von Spekulationsgewinnen ist übrigens die, dass diese Gewinne mehr dem Erfolg im Glückspiel, denn einer erfolgreichen wirtschaftlichen Tätigkeit ähneln. (Gewinne aus dem Glücksspiel, z.B. Lotteriegewinne, sind bis heute steuerfrei, was von mir aber nicht kritisiert wird.) Nun stecken die Schwierigkeiten einer vernünftigen Finanztransaktionssteuer tatsächlich im Detail, diese dürfen aber nicht zur Begründung einer Handlungsverweigerung dienen.
Die infolge der Korona-Krise angehäuften und noch anzuhäufenden Kreditmarktschulden haben ein Ausmaß, das nur schwer vorstellbar ist. Allerdings darf man sich davon nicht unnötig erschrecken lassen. Letztlich sind Kredite nur „Versprechungen“, oft gegenseitige „Versprechungen“ zu bestimmten Bedingungen. Derivate sind Versprechungen von bewerteten Versprechungen von bewerteten Versprechungen von bewerteten bewerteten Versprechungen usw. von Sachen, wie Wirtschaftsgütern usw., die bewertet werden. Die Finanzwirtschaft hat sich von der Realwirtschaft in einem Maße abgelöst, dass diese Krise dafür genutzt werden sollte, ja muss, beide Sphären wieder näher zusammenzuführen. Gelingt dieses nicht, werden wir „Corona-Krisen-Gewinnler“ haben, die gesellschaftspolitisch nicht zu akzeptieren sind und die, bei weiterer Ungelöstheit dieser Fragen, zu neuen, schweren gesellschaftlichen Verwerfungen führen können. Ja, die Europäische Union und die Existenz ganzer Staaten werden dann mit all den unabsehbaren Folgen auf dem Spiel stehen. Eine solche Entwicklung kann kein verantwortungsbewusster Mensch wollen, deshalb wird es die ganze Anstrengung der besten Köpfe dieser Gesellschaft und jedes Einzelnen an seinem Platz bedürfen, um unsere Welt wieder in Ordnung zu bringen. Diese Ordnung wird nicht die sein, die wir bisher gewohnt sind.
Was wirklich zählt, können Christen und andere zum Beispiel in die Bibel lesen: Matthaeus 16:26 „Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?“
(1) https://www.palverlag.de/lebenshilfe-abc/krisen.html
Jürgen Scharf
EAK-Landesvorsitzender